Phillip Island ist eine Insel im Bundesstaat Victoria und liegt etwa achtzig Kilometer Luftlinie südöstlich von Melbournes CBD entfernt. Die Straßendistanz ist bedeutend länger, da man die
Western Port Bay halbkreisförmig umfahren muss. Die Verbindung zum Festland besteht in einer 640 Meter langen Betonbrücke. Die einhundert Quadratkilometer große Insel ist der Western Port Bay im Süden vorgelagert, und knappe fünf Kilometer nordöstlich von Phillip Island liegt
French Island innerhalb der Bay. Das Gebiet ist ein großer Touristenmagnet, dessen größter Teil sich aus den
Phillip Island Nature Parks mit Naturlandschaften, einer reichhaltigen Fauna und spektakulären Küstenabschnitten zusammensetzt. Bekannt ist die Insel für die
„Penguin Parade“ und die traditionsreiche Rennstrecke
„Phillip Island Circuit“, auf der unter anderem der Große Preis von Australien für Motorräder im Rahmen der Motorrad-Weltmeisterschaft, sowie ein Lauf zur Superbike-Weltmeisterschaft ausgetragen werden. Bei der Penguin Parade ziehen zeitig morgens ganze Gruppen von Zwergpinguinen von ihren Behausungen gemeinsam über den Strand ins Meer, um dort Fisch für sich und ihre Jungen zu fangen. Am Abend kehren sie zu bestimmten Zeiten wieder zu ihren Bauten an der Felsküste zurück.
Dieses Wissen und einige andere Überlegungen mehr waren für mich Grund genug, in diese wunderschöne Landschaft aufzubrechen. Die Abreise aus Melbourne klappte problemlos, und bald war ich wieder von der typischen trockenen gelb-grünen Weidelandschaft Australiens umgeben. Die Reise führte mich an einzelnen kleinen Siedlungen wie
Koo-wee-rup etwa auf halber Distanz vorbei, wo ich eine kurze Pause einlegte. Bald darauf sah ich erstmals das Blau der Western Port Bay und blieb einige Male für Aufnahmen stehen. Als ich das Schild für den
George Bass Coastal Walk bemerkte, bog ich auf die Schotterstraße ab und fuhr den Hügel hinauf. Herrliche Aussichten auf die Küstenlinie waren mein Lohn. Wieder ein Stück weiter unten gab es einen Parkplatz. Das war zugleich der Ausgangspunkt für den Coastal Walk.
George Bass setzte im Jahr 1797 von Sydney Cove aus seine Segel in einem kleinen knapp neun Meter langen umgebauten Walfangboot und steuerte begleitet von sechs weiteren Seeleuten in meist stürmischer See die Küste entlang Richtung Süden. Sein Ziel war es, zu belegen, dass zwischen New South Wales und
Tasmanien eine Meeresstraße existieren würde. Als er in den ersten natürlichen Hafen an der südlichen Küstenlinie des Festlandes einfuhr, gab er ihm den Namen Western Port. Wenige Jahre später wurde die Meerenge nach George Bass
„Bass Strait“ benannt.
Der sieben Kilometer lange Wanderweg entlang der Klippen bot phantastische Ausblicke. Es war drückend heiß, und ich war noch nicht an meinem Reiseziel angelangt, daher spazierte ich nur etwa zwei Kilometer weit. Auf jeden Fall konnte ich sofort erkennen, dass mein Reiseziel tatsächlich in einer atemberaubenden Gegend lag. Nach mehr als einer Stunde saß ich wieder im Auto und fuhr die paar restlichen Kilometer Richtung Phillip Island. Kurz vor der Brücke auf die Insel liegt der kleine Ort
San Remo auf einem sanften Hügel. Ich begann die Suche nach einer Unterkunft. Das erste Motel war ausgebucht, doch im zweiten Anlauf klappte es. Somit hatte ich den für mich unangenehmsten Teil erledigt, die lästige Quartiersuche.
Gegen sechzehn Uhr war ich schon wieder auf der Achse und fuhr über die Brücke auf Phillip Island. Im Informationszentrum erhielt ich Auskunft über die Pinguin Parade. Ich erfuhr, dass absolutes Fotografier-Verbot herrschte, doch die Dame meinte, ich könne beim Marketing eventuell um eine spezielle Erlaubnis anfragen. Ich musste die ganze Insel von Ost nach West durchqueren, um zum Hauptgebäude der Verwaltung zu kommen. Leider war es schon zu spät, und vom Management war niemand mehr erreichbar. Doch immerhin wurde mir erlaubt, ohne Eintrittskarte eine Art Vorbesuch zu unternehmen, und ich erhielt eine
Bass Coast-Brücke San Remo-Phillip Island
CD. Auf diese Weise konnte ich, ohne von anderen Touristen gestört zu werden, den Ort der Parade in Ruhe besichtigen und Fotos machen. Von den Pinguinen war natürlich nichts zu bemerken, denn diese waren auf der Jagd im Ozean. Dafür war umso mehr zu riechen, eigentlich war es eine Art Gestank. Auf gepfählten breiten Holzstegen war die Zone der Pinguine mit ihren teils von den Betreuern zur Verfügung gestellten kleinen Holzbehausungen einzusehen. Ein Netzwerk von kleinen Wegen führte durch ihre Kolonie. Die jungen Pinguine merken sich nach ihrem ersten Marsch ins Wasser den Pfad und benützen in Folge immer die gleiche Route. Die Kolonie liegt an einem Strandabschnitt in einer schönen halbkreisförmigen Bucht im Marschland. Teils müssen die Tiere Steigungen überwinden, um zu ihren Plätzen zu gelangen. Manche gehen auch einige hundert Meter weit landeinwärts. Zwei Amphitheater aus Beton nehmen die maximal 3800 Besucher auf. Es gab auch bevorzugte Plätze, für die extra bezahlt werden musste. Im Jahr 1985 begann die Regierung mit dem Landrückkauf in der Region, der im Jahr 2010 abgeschlossen war, und alle Häuser entfernt waren. Die Zahl der kleinen Pinguine hat sich dank der intensiven Schutzmaßnahmen und der Rückwidmung ihres Lebensraumes durch die Phillip Island Nature Parks verdoppelt.
Bass Coast-Phillip Island, Scotchmans Summerland Lookout, Blick auf die Tribünen der "Penguin Parade"
Eine Tauchphase eines Pinguins dauert im Schnitt 25 Sekunden, wobei auch schon eine Länge von 1:56 Minuten aufgezeichnet worden ist. Die maximale je erfasste Tauchtiefe beträgt 72 Meter. Eingeschleppte Füchse bedrohten ab 1900 die kleinen Pinguine. Ein eigenes Fuchs-Management-Programm hat die Anzahl der Räuber drastisch reduziert. Die Zwergpinguine leben in Australien und Neuseeland, wobei manche Populationen bedroht sind. Auf Phillip Island leben geschätzte 32.000 Exemplare, was eine der größten Kolonien weltweit darstellt. Ein Zwergpinguin misst ungefähr 33 Zentimeter.
Ich kaufte mir ein Ticket für die abendliche Parade, bedankte mich für die gute Behandlung und fuhr zurück nach San Remo. Mein Ablaufplan war durch meinen Vorbesuch ein wenig umständlich geworden, da ich nach gut einer Stunde erneut zum Ort des Geschehens aufbrechen musste.
Der prognostizierte Paradezeitpunkt lag bei etwa 20 Uhr 15. Das ließ sich durch die jahrelange Erfahrung der betreuenden Ranger ziemlich genau eingrenzen. Ich traf gegen 19 Uhr 30 ein, einem Zeitpunkt, an dem schon hunderte Besucher anwesend waren, und setzte mich an einen günstigen Platz. Eine versierte Ranger-Dame begrüßte das Publikum und erklärte alle notwendigen Zusammenhänge. Dann begann das Warten in der leicht ausgeleuchteten Einwanderungszone. Und tatsächlich traf etwa eine Viertelstunde nach acht Uhr eine erste kleine Gruppe von Pinguinen
Phillip Island "Penguin Parade" (Foto: Phillip Island Nature Parks)
am Strand ein und sammelte sich. Sie marschierten vor und zurück, sondierten das Terrain und starteten irgendwann ihren mühsamen Marsch zu ihren Behausungen. Es war schon dunkel und das war die Voraussetzung für die Heimkehr. Bei Tageslicht würden Raubvögel eine zu große Gefahr für die kleinen Tiere darstellen. Zug um Zug kehrten innerhalb der nächsten Stunde große wie kleinere Gruppen zurück aufs Land. Manche hatten es besonders eilig, andere drehten verwirrt ihre Runden, wieder andere kehrten sogar ins Wasser zurück. Die Menschen scheuten sie nicht, denn diese waren sie von klein auf gewohnt. Einzelne Exemplare kamen auch direkt in den Zuschauerraum. Die Parade stellte für mich schon ein Spektakel der besonderen Art dar. Bald verließen die meisten Besucher das Areal und ab diesem Zeitpunkt konnte man in Ruhe einzelne Exemplare beobachten, und den wirklich sehr hilfsbereiten Rangern Fragen stellen. An Land war es vorbei mit der Ruhe, da die Tiere nun untereinander kommunizierten. An diesen Stellen leben rund 3500 Tiere, was ungefähr zehn Prozent des Gesamtbestandes der Insel ausmacht. Da es dunkel war, wäre es ohnehin kaum möglich gewesen, ohne Blitz brauchbare Fotos zu schießen. Und ein tägliches Blitzlichtgewitter wäre unvertretbar für die empfindlichen Augen der Pinguine. Ich dachte im Stillen, dass das Fotografier-Verbot zu Recht bestand, obwohl ich mich anfangs ein wenig darüber geärgert hatte.
Bass Coast zwischen San Remo und Wonthaggi
Mein Antrag auf Visumsverlängerung war per Email von Sydney genehmigt worden, was mich erleichterte, da ich anderenfalls in gehörige Zeitnot geraten wäre. Das war ein guter Grund meinen Aufenthalt in San Remo auf vier Tage auszudehnen. Es gab in dieser Region noch viel zu sehen, und ich wollte meinen Aufenthalt auch in Ruhe erleben. Das Wetter war am neuen Tag bewölkt, daher ließ ich mir Zeit und arbeitete am Zimmer. Bevor ich zu einem kleinen Ausflug Richtung Südosten nach
Wonthaggi und
Cape Paterson aufbrach, besuchte ich die kleine Bäckerei in San Remo und deckte mich mit ein paar Köstlichkeiten ein.
Der
Bunurong Coastal Drive ist ein eindrucksvoller Küstenabschnitt mit vielen fotogenen Felskuppen. Speziell in
Kilcunda, das auf einem Hügel liegt, waren die Aussichten auf die stürmische See über die steilen Klippen und die goldenen Sanddünen großartig. Wonthaggi ist das wirtschaftliche Zentrum der Bass Coast in der Region, und ein Besuch der State Coal Mine führt die Besucher zurück in die Ära vergangener Bergbaublütezeiten. Dafür brachte ich allerdings zu wenig Interesse auf und nützte die Gelegenheit der Stadt zum Einkaufen. Mein Fahrtziel blieb Cape Paterson, wo ich
Bass Coast-Phillip Island, Cape Woolamai, Anzacs Beach
auf ein schönes Kap mit Leuchtturm hoffte. Leider entwickelte sich die Wetterlage sehr ungünstig, es trieben sturmgepeitscht finstere Wolken am Himmel, und der Regenbeginn schien nur noch eine Frage der Zeit. Als ich in Cape Paterson eintraf, stürmte es bereits, doch die Temperatur war noch angenehm. Enttäuschender Weise bekam ich am Kap bis auf einen Strand hinter Büschen und ein paar vorgelagerten Felsen nicht viel zu sehen. Da blieb mir die Erfahrung, dass nicht jedes Kap automatisch der guten Hoffnung ist, und da es ohnehin zu regnen begann, setzte ich zur Rückfahrt an. Die Sturmböen speziell an exponierten Hügellagen waren extrem, und mit dem Regen kühlte es von an die dreißig Grad Celsius um mehr als zehn Grad ab. Die Landschaft wirkte mit den dunklen Wolken nun wildromantisch, was mich trotz widriger Verhältnisse zu ein paar Fotostopps animierte.
Eine Gruppe australischer Hochzeitsgäste hatte sich für eine Nacht im Motel eingecheckt und sorgte bei ihrer nächtlichen Rückkehr in betrunkenem Zustand für Gekreische und Krach. Zeitig am Morgen fuhren sie endlich ab, verursachten allerdings neuerlich einen Riesenlärm. Mir kam vor, dass mein Schlaf erst danach richtig begonnen hatte. Als ich aufwachte, war es fast elf Uhr vormittags. Das Wetter
Bass Coast-Phillip Island, Cape Woolamai, Anzacs Beach
war bewölkt mit längeren sonnigen Abschnitten bei starkem Wind und kühler als an den Tagen zuvor. Ich wollte einmal zu Fuß über die Brücke nach Phillip Island gehen und auf den Meeresarm mit seinen gewaltigen Strömungen blicken. Der Sturm auf der Brücke war so extrem, dass es kaum möglich war, die Kamera ruhig in der Hand zu halten. Zudem ließ der orkanartige Wind die Temperatur derart kalt auf der Haut anfühlen, dass ich bald genug hatte und umdrehte. Was ich gesehen hatte, war aber den kurzen Fußmarsch wert gewesen.
Mit dem Auto bekam ich vom starken Wind beim Überqueren der Brücke fast gar nichts mit. Wenige Kilometer von San Remo entfernt liegt auf Phillip Island das famose
Cape Woolamai. Ich war spektakuläre Aussichten in der Zwischenzeit fast schon gewohnt, aber ständig gab es neue Eindrücke, selbst wenn man bereits hunderte Strände gesehen hatte. Das Cape besticht durch mitreißende goldene Strände, Coastal Walks, die größte Kolonie der Sturmtaucher ((Short-tailed shearwaters) auf der Insel, den weltberühmten
Woolamai Beach Surfstrand und grandiose Ausblicke. Es markiert gleichzeitig den höchsten Punkt auf Phillip Island.
Bass Coast-Phillip Island, The Nobbies
Am äußersten südwestlichsten Punkt der Insel liegen
The Nobbies, ein wildzerklüfteter Küstenabschnitt mit dem
Nobbies Centre, und ein Stück weiter draußen auf der offenen See die
Seal Rocks, ein großer Felsen, auf dem geschätzte 10.000 bis 20.000 Seerobben leben. Vom Nobbies Centre lässt sich gegen Bezahlung mit einer fernbedienbaren Videokamera über den Felsen und die Tiere blicken. Die Robbenkolonie (Australian fur seals, eigentlich Seebären) ist die größte ihrer Art in ganz Australien.
Am Weg zu den Nobbies kam ich an einer ganzen Reihe von sehenswerten Lookouts vorbei. Am
Scotchmans Summerland Beach Lookout konnte ich die herrliche Bucht der Pinguine und die Amphitheater für die Besucher überblicken. Der
South Coast Lookout brachte schon eine Vorahnung, welch wilde Landschaft den Besucher bei den Nobbies erwarten würde. Der
Shelley Beach liegt auf der Nordseite der Landspitze und beherbergt eine weitere Kolonie von kleinen Pinguinen. Eine Bucht weiter im Westen befindet sich der
Cowrie Beach mit ebenfalls einer Kolonie von Zwergpinguinen.
Bass Coast-Phillip Island, The Nobbies
Nun war ich beim Besucherzentrum von The Nobbies angelangt und sah mich um. Man hatte sich im Haus große Mühe gegeben, den Gästen die nicht immer leicht zu durchschauenden Zusammenhänge zwischen Wind, Wetter, Strömungen und den Auswirkungen auf Mensch und Tier deutlich zu machen. Dazu setzte man verschiedene farbige großflächige Schaubilder und Monitore, sowie interaktive Konsolen und Spiele ein. Alles war gut beschriftet, und wer wollte, konnte sich ein Bild über eine der gefährlichsten Seestraßen der Welt entwerfen. Die Küste Victorias ist ein Friedhof für annähernd siebenhundert Schiffe geworden, die meist an der Bass Strait Bruch erlitten hatten. Aber nicht nur Seefahrzeuge reisen in dieser turbulenten Zone, sondern auch Delphine, Haie und verschiedene Walarten. Nachdem ich alles Wissenswerte aufgenommen hatte, konnte ich meine Boardwalks über die Klippen starten. Der Plankenweg führte an den Hügelabhängen zu den spektakulären Aussichtspunkten über die schroffen Felsen. Auch in diesem Abschnitt lebten Pinguine, zahlreiche Vogelarten und sogar Schlangen. Das Wetter hatte sich gebessert, und wie bestellt schien die Sonne vom Himmel. Die See war sehr rau an diesem Tag. Die Brecher donnerten mit endloser Gewalt an die ohnehin bereits stark zerklüfteten Gesteinsmassen und überspülten in einem unendlichen Kreislauf die tieferliegenden Formationen. Das war ein absolut lohnenswerter Besuch, den man nicht leicht vergessen wird.
Bass Coast-Phillip Island, Seagull Rock Lookout
Am Rückweg nahm ich noch den
Seagull Rock Lookout mit, aber eine Steigerung des zuvor Gesehenen war kaum mehr möglich. Ich durchquerte das Heideland auf einer Schotterstraße, um wieder auf die Hauptstraße zu kommen. Dutzende Kängurus sprangen links, rechts und vor meinen Augen umher oder grasten in der kargen Gegend.
Mein Schlaf dauerte wieder lange. Das Wetter war kühler geworden aber teils sonnig. Meinen Aufenthalt in San Remo verlängerte ich um weitere drei Tage. Der Motel-Besitzer erklärte mir, dass ich meinen geplanten Ausflug in den
Wilsons Promontory National Park von San Remo aus in Angriff nehmen könnte. Bis dahin hatte ich geglaubt, dass es zu weit sein würde für einen Tagestrip. Mir war das sehr recht, denn auf diese Weise konnte ich länger an einem Ort bleiben und musste nicht dauernd neue Unterkünfte suchen.
Für den neuen Tag hatte ich mir vorgenommen, ein paar schöne Plätze auf der Insel zu besuchen. Zuerst unternahm ich eine kurze Wanderung am
Back Beach von San Remo, die mir der Vermieter empfohlen hatte. Der Fußmarsch führte mich vom Meeresarm südlich der Brücke zur offenen See an
Bass Coast-Phillip Island, Cowes, Ehrewon Point
die Bass Strait. Am Weg gab es eine kleine Gedenktafel zur Erinnerung an
George Bass, der am 5. Jänner 1798 im Alter von 27 Jahren diese Gegend per Schiff erreicht hatte. Im Jahr 1803 segelte er von Port Jackson aus nach Südamerika, wo er spurlos verschwand. Sein Schicksal bleibt bis heute ein Rätsel. Nach dem Coastal Walk fuhr ich mit dem Auto noch ein Stück weiter am Ortsende von San Remo die Küste entlang, konnte aber bis auf einen kleinen Strand nichts Bedeutendes mehr entdecken.
Cowes ist die größte Stadt auf Phillip Island und das Zentrum zum Einkaufen, Ausgehen und Wohnen. Auf der Mole kann man Schiffsfahrten buchen und per Fähre auf die
Halbinsel Mornington übersetzen. Auch ein Golfplatz steht zur Verfügung. Die Stadt liegt im Norden der Insel, und man sieht von dieser Stelle aus nicht nur auf die Halbinsel Mornington, die an ihrer Westflanke an die riesige Port Phillip Bay Melbournes grenzt, sondern auch auf das im Norden liegende
French Island. So betrachtet hatte ich hier den vollen Überblick. Ich bummelte vorbei an den zahllosen Geschäften zur Schiffsanlegestelle. Da war nicht viel los. Mit dem Auto fuhr ich ein Stück weiter zum
Erehwon Point, wo sich ein
Bass Coast-Phillip Island, Cowes, Red Rocks
idyllischer Strandabschnitt befand. Hinter dem Spielplatz standen schöne Wohnhäuser. Im Osten der Stadt liegt eine Gegend namens
Silverleaves, wo ich hoffte, auf den eindringenden Meeresarm zu stoßen. Doch das Land war eingezäunt und die Straße endete abrupt. Daher fuhr ich wieder zurück und weiter zur Westausfahrt. Das waren keine allzu langen Distanzen, und der Besuch bei den aus Vulkanasche erstarrten
Red Rocks lohnte sich. Die rote Farbe stammte aus den hohen Eisenanteilen des Gesteins. Die wunderschönen rotgefärbten Felsen direkt am Sandstrand waren in der tiefstehenden Sonne ein besonderes Erlebnis.
In Cowes hatte ich alles gesehen und fuhr auf der Hauptstraße Richtung Summerlands, wo die Pinguin Parade täglich stattfindet. Mein Ziel war der
Grossard Point ein paar Kilometer davor an der nordwestlichen Küste. Von diesem herrlichen Aussichtsplatz ließ sich der Western Port in seiner Einfahrt zwischen der Halbinsel Mornington und Phillip Island toll überblicken. Jetzt war auch die Sonne wieder voll herausgekommen, und das Wasser glitzerte im Abendlicht. Der Platz wurde nach Kapitän Grossard benannt, der hier sein einsames Grab gefunden hatte. Die Zypresse neben
Bass Coast-Phillip Island, Grossard Point
der Ruhestätte ist einer der ältesten Bäume der gesamten Insel. Auf der Rückfahrt nach San Remo zweigte ich an einer Schotterstraße zum
Pyramid Rock ab. An der Küste erhob sich ein kleiner Felsen, der angeblich die Form einer Pyramide haben sollte. Aus meiner Sicht handelte es sich eher um einen Kegel. Wie auch immer, das Motiv passte, und auch der Küstenabschnitt gefiel mir. Nach der Besichtigung dieses Felsens am South Coast Lookout kehrte ich heim, wo ich noch intensiv bis spät in die Nacht arbeitete.
Endlich wurde es wieder deutlich wärmer. Am Motel-Gelände gab es einen Hof mit einem kleinen Garten, den ich zum Sonnenfrühstück im Freien nutzte. Blauer Himmel und warmer Sonnenschein, das war schon eine ganz andere Welt. Danach setzte ich meine Arbeit am Computer fort, bevor ich am frühen Nachmittag nochmals nach Wonthaggi aufbrach. Die Straßengabelung zwischen Melbourne und Wonthaggi liegt auf einem Hügel, von wo aus ich Richtung Norden einen schönen Blick auf den Meeresarm Western Port und das flache Festland werfen konnte. Nach ein paar Kilometern hatte ich die Hügelkette überquert und sah auf die wilde Bass Strait hinunter. An der Route befanden sich einige Strände, die ich mir anschauen wollte. In
Kilcunda West liegt der
Shelley Beach, ein schöner Strandabschnitt, aber
Bass Coast-Phillip Island, Grossard Point, alte Zypresse am Grab von Kapitän Grossard
unter den zahllosen phantastischen Stränden nicht weiter auffallend. In Kilcunda endet der George Bass Coastal Walk, den ich bei meiner Anreise nach San Remo von der anderen Seite begonnen hatte. Die Küstenlinie ist nur sieben Kilometer lang, während mit dem Auto deutlich mehr Kilometer zurückzulegen waren. In Kilcunda West gibt es noch einen weiteren Strand mit spektakulären Sanddünen und einer attraktiven Küstenlinie. In
Kilcunda East setzte sich das außergewöhnliche Panorama an der Küste fort, und all diese Strände waren so gut wie menschenleer.
In Wonthaggi, wo ich mich schon auskannte, ging ich einkaufen und machte einen Sprung in das lokale Information-Center. Ein freundlicher ausgewanderter Holländer, dessen ursprüngliche Nationalität ich an seinem Englisch sofort erkannte, gab mir das passende Kartenmaterial und die entscheidenden Hinweise für meinen geplanten Ausflug in den Wilsons Promontory National Park. Dieser, wie ich schon ahnte, außergewöhnliche Platz, den ich, passendes Wetter vorausgesetzt, am nächsten Tag besuchen wollte, stellt den allersüdlichsten Zipfel des australischen Festlandes dar. Nur die Insel Tasmanien liegt noch weiter südlich. Nachdem nun alle Vorbereitungen für meinen Ausflug getroffen waren, kehrte ich nach San Remo ins Motel zurück und sonnte mich noch eine Weile.
Wilsons Promontory National Park, Whisky Bay
Der in Australien besonders populäre
Wilsons Promontory National Park liegt auf einer Halbinsel an der Südspitze des Bundesstaates Victoria etwa 160 Kilometer südöstlich von Melbourne. Das Gebiet wird zum größten Teil von einem Vorgebirge eingenommen und beinhaltet den südlichsten Punkt des australischen Festlandes. Die Südspitze Victorias besteht aus Granit, der starker Erosion ausgesetzt ist. Die ersten Aufzeichnungen über die Region stammen von George Bass, der 1798 die Küste des Vorgebirges erkundete. Es ist bekannt, dass auf diesem Landstrich Aborigines lebten. Für die Europäer war eine Besiedelung aufgrund der massiven Granitvorkommen zunächst nicht interessant. Erst im Jahr 1840 wurde eine Walfangstation eingerichtet und 1854 ein Sägewerk errichtet. Der Nationalpark wurde im Jahr 1898 eröffnet und bis heute auf 490 Quadratkilometer ausgeweitet. Die außergewöhnliche Landschaft ist vielfältig und bietet Lebensraum für etwa 700 Pflanzenarten und eine reichhaltige Tierwelt.
Für mich stand fest, dass ich den Park mit dem Buschland und der Küstenlandschaft „nicht von dieser Welt“
Wilsons Promontory National Park-Tidal River, Pillar Point Walk
(Zitat Lonely Planet-Australia) besuchen würde. Die Frage war nur, wann das Wetter passen würde. Ich verschlief ein wenig, blickte aus dem Fenster und war wenig begeistert. Anfangs zweifelte ich, ob der Tag der passende sein würde, doch plötzlich klarte es auf, und damit war die Sache klar. Der erste Teil der Strecke war mir bereits bekannt, und, nachdem ich Wonthaggi hinter mir gelassen hatte, fuhr ich über
Inverloch immer weiter in den Süden. Auf den Straßen herrschte wenig Verkehr, und es ging gut voran. Meist sah ich das übliche trockene Weideland und ein paar Hügel. Je näher ich dem Park kam, desto interessanter wurde die Landschaft. Schließlich erreichte ich den Eingang, der noch im Flachen lag und unbesetzt war. Bis nach
Tidal River, wo die Straße endete, waren es aber noch dreißig Kilometer und unzählige Aussichtspunkte. Ab diesem Zeitpunkt wurde es einerseits bergiger und andererseits rückte das Meer an die Straße heran. Als erstes bekam ich große Sanddünen zu sehen. Dann erreichte ich den malerischen
Darby River, der im März 2011 infolge sintflutartiger Regenfälle über die Ufer getreten war und schwere Zerstörungen im Park angerichtet hatte. Der Fluss bildet die Grenze zwischen den hoch aufragenden Granitbergen im Süden und Osten einerseits und den ausgedehnten Dünen- und Sumpfgebieten im Norden andererseits. Ein Stück weiter liegt auf einer Anhöhe der
Wilsons Promontory National Park-Tidal River, Pillar Point Walk
Darby Saddle, der mich in eine völlig veränderte Welt führte. Auf der anderen Seite eröffnete sich eine erstaunliche Küstenlandschaft von großer Schönheit. Vor meinen Füßen breitete sich die
Whisky Bay aus, die ich anfuhr. Am Sandstrand lagen riesige rundliche Felsblöcke, ein kleiner Bach rann idyllisch zum Meer, staute sich vorher auf, und ringsum stiegen die Hänge in die Höhe. Vom
Norman Lookout ein paar hundert Meter weiter sah ich erstmals die Felsinseln draußen in der weiten See. Im Landesinneren wurden die Berge allmählich höher und die Landschaft immer fantastischer. Die Straße führte mich über Wellen auf und ab, vorbei am Mount Oberon, den ich später erklimmen wollte, bis nach Tidal River. Im Visitor Centre holte ich mir die fehlenden Informationen und los ging mein Marsch zum
Pillar Point.
War der Darby River schon eine Idylle der besonderen Art, setzte der Tidal River nochmal eines drauf. Diese friedvolle Umgebung eines Mündungsfeuchtgebiets stellt in Wahrheit eines der dynamischsten und produktivsten Eco-Systeme, die es weltweit gibt, dar. Der Tidal River kennzeichnet den Übergang von Festland zum Meer und von Süßwasser zu Salzwasser. Der
Pillar Point Walk führte mich anfangs durch das Feuchtgebiet neben dem Fluss, später über
Wilsons Promontory National Park-Tidal River, Pillar Point, Norman Bay
eine schöne schmale Holzbrücke über diesen, und schließlich auf einen schmalen Pfad bergauf zu einer Landspitze. Am Weg begegneten mir bunte Vögel, ich glaube, es waren
Rosellas, ein
Wombat (Plumpbeutler), den ich vorher überhaupt noch nie gesehen hatte, und am auslaufenden Fluss vergnügten sich jugendliche Rafting-Gruppen. Je höher ich kam, desto atemberaubender wurde die Aussicht. Diese Konstellationen schienen wirklich nicht von dieser Welt zu sein. Kurz vor der Landspitze zweigte ich zum
Tidal Overlook Walk ab, in der Hoffnung, einen noch besseren Überblick gewinnen zu können. Dort wandelte ich auf einer kleinen Hochebene und sah auf den
Squeaky Beach, den ich nicht angefahren hatte, hinunter. Der ultrafeine Quarzsand dieses Küstenteils singt hier förmlich beim Darübergehen. Am Endpunkt angelangt waren der sich windende Flusslauf zu verfolgen, und ein Blick auf die gegenüberliegende Bergwelt möglich. Im Geäst sah ich erneut einen bunten Vogel, den ich aber nicht erkannte. Am Pillar Point auf ungefähr dreihundert Meter Höhe blickte ich verzückt auf die
Norman Bay, die den Tidal River an einem sensationellen Strandabschnitt aufnimmt. Gemeinsam mit ein paar anderen Leuten saß ich eine Weile auf dem Felsen und nahm diese Naturwunder in mich auf. Der Weg zurück war nicht minder schön, und ich war heilfroh, diese Reise
Wilsons Promontory National Park-Am Gipfel des Mount Oberon
unternommen zu haben. Obwohl ich noch lange nicht alles gesehen hatte, wunderte es mich nicht, dass die Einheimischen an diesen außergewöhnlichen Stellen gerne einige Tage verbringen. Für einige Tage Aufenthalt war ich nicht vorbereitet, doch mein Erlebnis war auch noch nicht zu Ende.
Nach dem Walk zum Pillar Point verließ ich Tidal River wieder und fuhr zum Mount Oberon. Es war bereits 17 Uhr, genau der richtige Zeitpunkt für einen Sonnenuntergang auf einer Bergspitze. Am
Telegraph Saddle Car Park parkte ich meinen Wagen und begann den langen Weg auf den Berg. Der Aufstieg auf den 558 Meter hohen Gipfel war nicht besonders beschwerlich, doch die geschotterte Forststraße zog sich. Wenn man glaubte am Ziel zu sein, kam noch eine Gerade mit noch einer Kurve. Das ging ein paar Mal so, bis man dann wirklich oben angelangt war. Etwas unterhalb des Gipfels standen einige Sendemasten, weswegen der Weg auch so gut ausgebaut war. Man merkte bereits, dass der Sommer in Australien zu Ende gegangen war, denn im Schatten begann es, empfindlich kalt zu werden. Oben an der Spitze schien die Sonne, und es blies ein mäßiger Wind. Es ist müßig, vom Blick auf das Meer, von den in der Ferne liegenden Felseninseln, von den Stränden, den umliegenden Bergen und vom
Wilsons Promontory National Park, Norman Lookout
Sonnenuntergang zu schwärmen. Es war einfach ein fantastisches Erlebnis, das ich niemals vergessen werde. Ich war nicht ganz alleine an diesem faszinierenden Ort, mit mir waren noch ein französisches Paar aus Übersee und zwei deutsche Backpacker. Mit der Zeit wurde es kühler, und ich musste an den Abstieg denken, da ich auch noch die weite Heimfahrt vor mir hatte. Der Weg zurück lag total im Schatten, und ich fror ein wenig mit meiner Sommerausstattung. Am Parkplatz verabschiedete ich mich von den beiden Deutschen, die am Tidal River campierten und trat die Rückfahrt an. Beim Norman Lookout blieb ich nochmals stehen, da gerade die Sonne hinter den Felsen im Meer verschwand. Als ich gesund in San Remo eintraf, war es stockfinster. In der Abenddämmerung und der Nacht musste man wegen des regen und gefährlichen Wildwechsels beim Autofahren sehr vorsichtig sein. Ein großes Känguru kann einen Totalschaden am Wagen nebst der persönlichen Gefahr hervorrufen. Und die Unfälle waren sehr häufig, wie ich an den hunderten toten Tieren, die ich schon neben oder auf der Fahrbahn habe liegen sehen, erkennen musste.
Bass Coast-Phillip Island, Rhyll, Boat Ramp
Der ungetrübte Sonnenschein setzte sich am nächsten Tag fort. Noch einmal genoss ich ein Frühstück im Freien. Dann rief ich mein Motel in Melbourne an und buchte für zwei Tage. Melbourne lag am Weg zur
Great Ocean Road, die mein nächstes großes Ziel war, und die Gelegenheit wollte ich nutzen, um noch ein paar Sehenswürdigkeiten, die sich beim ersten Mal nicht ausgegangen waren, nachzuholen. Auch das mühsame Aufladen meines Prepaid-Mobiltelefons mit einem neuen Guthaben klappte im unprofessionellen Postamt nach anfänglichen Problemen, und so stand meinem letzten kurzen Ausflug nach Phillip Island und Churchill Island nichts mehr im Wege.
Der kleine Fischerort
Rhyll liegt an der Nordostspitze von Phillip Island südlich eines kleinen Meereseinlasses und rühmt sich seiner großartigen Fischfangmöglichkeiten. Hier lassen sich auch Boote mieten oder Charterfahrten organisieren. Ich parkte mein Auto auf einem kleinen Hügel über dem Meer in einer schönen Villengegend und blickte mich um. Das Wasser leuchtete in dieser Oase der Ruhe und Entspannung tiefblau. Western Port ist mit 270 Quadratkilometer Fläche Victorias zweitgrößte Bucht und eine biologische Schatzfundgrube. Sechs große Flüsse entwässern im Norden und Osten in die Bucht, und mehrere kleine Bäche kommen von der Halbinsel Mornington. Die Bucht hat zwei Eingänge, die von Phillip Island beträchtlich verengt sind. Daher gibt es hier auch einige
Marine National Parks als besonders geschützte Meereszonen. An der Bootsrampe beobachtete ich,
Bass Coast-Churchill Island, Island Walk
wie ein kleineres Motorboot gekonnt mit einem Anhänger aus dem Wasser gezogen wurde. Am Steg war das Wasser ganz still, und einige ankernde Segelboote machten die Idylle komplett. Rhyll hat auch ein Sumpfgebiet mit eigenen Wanderwegen zwischen Mangroven und dem Wattenmeer.
Keine Viertelstunde später stand ich vor der Brücke auf
Churchill Island. Es war interessant, festzustellen, dass eine Brücke auf die erste Insel führte, und von dieser aus eine zweite Brücke auf eine weitere kleine Insel. Das Eiland ist knapp 51 Hektar groß und grenzt an den
Churchill Island Marine National Park. Auf der Insel gibt es einen bewirtschafteten Hof, kleine Landhäuser aus den 1860er Jahren und ein voll restauriertes Gehöft aus 1872. Da die Brücke am späten Nachmittag geschlossen wurde, blieb mir nur Zeit für einen Rundgang um die schöne Insel. Dieser dauerte nicht einmal eine Stunde und führte mich vorbei an historischen Plätzen, wo die ersten Europäer im Jahr 1801 gelandet waren, und lieblichen Ausblicken auf Küstenlinie und Wasser. Im Park standen an die dreihundert Jahre alte
Moonahs-Bäume – die ältesten könnten mindestens fünfhundert Jahre alt sein - die sehr selten geworden sind, früher aber in dieser Gegend weit verbreitet waren. Heute werden diese herrlichen Bäume wieder gepflanzt, um die einzigartige Landschaft auch für zukünftige Generationen erhalten zu können. Der großartige Spaziergang rund um diese altehrwürdigen Plätze war ein gelungener Abschluss meines 7-tägigen Aufenthalts in San Remo.